20 Jahre Teen Spirit Island

In der neuen Suchtherapiestation „Teen Spirit Island“ standen 1999 zunächst 12 stationäre Plätze für Jugendliche mit massiven Alkohol- und Drogenproblemen zur Verfügung. Ein Zaun musste um das ehemalige Gebäude der Fahrbücherei gegenüber dem Hauptgebäude des Kinder- und Jugendkrankenhauses gezogen werden – nicht, um die Patienten einzusperren, sondern Drogendealer von ihnen fern zu halten. 2010 kamen sechs weitere stationäre Plätze in einem durch Spenden finanzierten neuen Anbau hinzu. Die Plätze waren vor allem für die neu auftretende Suchtvariante Computerspielsucht vorgesehen. Spiele wie „World of Warcraft“ oder „Counter Strike“ zogen junge Leute in ihren Bann. „Wie bei Drogen im flüssigen oder pulverisierten Zustand kann auch ein übermäßiger Konsum von Mediennutzung dazu führen, dass Menschen ihr Leben komplett danach ausrichten. Bei beiden Suchtverläufen geht es um die Verdrängung der Realität, die Suche nach Bestätigung und einem angeblich gutem Gefühl“, sagt Hon. Prof. Dr. Christoph Möller, heute Chefarzt der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) im Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT. „Die Folgen der Süchte sind jedoch nicht ein bessere Welt, sondern zum Beispiel Beschaffungskriminalität, körperliche und geistige Verwahrlosung sowie Rückzug aus dem sozialen Leben und vom Umfeld der Familie, Schule, Freunde, Ausbildungsplatz.“

Im Schnitt bleibt ein Patient rund fünf Monate auf Teen Spirit Island, in denen er dem Konzept nach räumlich und therapeutisch drei Abschnitte durchschreitet: In der Aufnahmephase wird ein qualifizierter Entzug durchgeführt. Besonders wichtig ist es dabei, die Patienten für einen Weg ohne Drogen oder exzessiven Mediengebrauch zu motivieren. Zusätzlich werden körperliche Folgeschäden durch Drogenkonsum behandelt. In der Behandlungsphase stehen das Wiedererlangen eines strukturierten, geregelten Tagesablaufs und die Behandlung der Grundstörung im Vordergrund. In der alltäglichen Auseinandersetzung trainieren die Patienten lebenspraktische Situationen, neue Lebensinhalte werden gefördert. In enger Einbindung in den Stationsalltag erhalten die Jugendlichen einzeln oder in Kleingruppen Schulunterricht. Es wird auch berücksichtigt, dass nahezu alle Patienten zusätzlich zu ihrer Suchterkrankung an weiteren psychischen Störungen leiden, wie zum Beispiel an Depression, Traumafolgen, ADHS, Angst- oder Bindungsstörungen. Die therapeutische Aufgabe liegt darin, hoch strukturierte, haltgebende Angebote zu machen und gleichzeitig sehr flexibel auf individuelle Probleme reagieren zu können. Dazu gehören auch analytisch-interaktionelle Gruppenpsychotherapie, themenzentrierte Interaktionsgruppen, Projektgruppen, Sport wie Schwimmen oder Klettern, Technikgruppen und Schulunterricht.

In der Verselbstständigungsphase ist es besonders wichtig, dass die Jugendlichen kontinuierlich an einen sicheren Realitätsbezug ohne Drogen und exzessive Mediennutzung herangeführt werden. Die Entlassung wird langfristig geplant, einschließlich der Möglichkeit, wieder zur Schule zu gehen oder Berufspraktika zu machen.

Seit Beginn wurden insgesamt rund 1.120 Jugendliche betreut, davon zweidrittel Jungen. Das Durchschnittsalter beträgt 16 Jahre. Die Ärzte, Psychologen, Therapeuten, Pflegekräfte, Sozialdienstmitarbeiter und Lehrer mussten sich immer wieder mit neuen Suchtmitteln auseinandersetzen. Waren es anfangs noch Heroin, Marihuana, Haschisch und Kokain, waren in den vergangenen Jahren vermehrt auch synthetische Drogen wie Crystal Meth und sogenannte Legal Highs ein Thema. Bei der Mediensucht sind neben neuen Spielen  auch das soziale Interagieren über Smartphones oder Tablets zu nennen. Nur beim Alkohol gab es mit Bier, Wein und härteren Getränken wie Wodka oder Schnaps kaum Veränderungen. Das Komasaufen ist sogar leicht rückläufig.